Freitag, 11. Juli 2025
Herr Schaller, Sie sagen, dass Sie am liebsten zwischen den Stühlen sitzen. Ist das nicht unbequem?
Bequem ist politisches Kabarett ja ohnehin nicht. Es lebt vom satirischen Blick auf alle Seiten. Deshalb sollte man als Kabarettist eben nicht auf einem der Stühle sitzen, denn wenn man sich in die einzelnen Lager begibt, neudeutsch »Blase«, was will man da verstehen, geschweige denn satirisch kommentieren?
Fakenews, Vorschriften für „richtiges“ Sprechen und Denken, Beschimpfungen Andersdenkender … Warum finden Sie trotzdem, dass es gerade jetzt eine gute Zeit für politisches Kabarett ist?
Die meisten Menschen suchen wie wir nach Antworten. Wir sind kein Kompass, haben aber Fragen. Zum Beispiel: Warum ist die Bombardierung eines Krankenhauses in der einen Woche deutsche Staatsräson - und wenn Iran ein israelisches Krankenhaus bombardiert, ist Khomeini der »neue Hitler«? Man müsste sich mal entscheiden. Besonders, wenn man als deutsche Regierung das Wort »Moral« in den Mund nimmt.
Dennoch: Früher war alles besser, könnte man sagen, auch im Kabarett. Da waren Zuschauer und Kabarettisten immer einer Meinung. Heute müssen Sie sich schonmal als „Putins Nutte“ beschimpfen lassen. Warum tun Sie sich das eigentlich an?
Unser Kabarettkeller ist ein Ort, wo andere Meinungen und Sichten noch zu hören sind. Und hinterher diskutieren wir mit Andersdenkenden. Das tu ich mir »nicht an«, das leisten wir uns! Außerdem bin ich nicht Putins Nutte, höchstens Putins Sexarbeiter. Soviel sprachliche Korrektheit muss sein!
Modernes politisches Kabarett, wie Sie es verstehen, spiegelt zwar Meinungen wider, legt sich selbst aber nicht fest. Machen Sie es sich nicht zu einfach, wenn Sie Ihre Zuschauer selbstdenken lassen?
Wir legen uns sehr wohl fest. Aber wir behaupten nicht, dass unsere Sicht die einzige richtige ist. Und ein Raum voller selbstdenkender Menschen - was soll daran einfach oder schwer sein? Das ist ein Glück!
Zum Schluss noch der Werbeblock: Warum lohnt es sich, in den Kabarettkeller der Herkuleskeule hinunterzusteigen?
Weil bei uns die Post abgeht! Manchmal hört man die Stecknadel fallen bis einer die Tür schlägt. Wir haben keine Redaktion, keinen Geldgeber, der uns Vorgaben macht, also nichts, was zwischen uns und dem was wir sagen müssen, steht. Immer wieder kommen hinterher Zuschauer aus Niedersachsen oder Hessen zu uns und wundern sich, was wir alles sagen »dürfen«, so eine Freiheit würden sie von anderen Kabaretts gar nicht kennen. Und: Wir haben fantastische Musiker, urkomische Kabarettisten und Autoren, die schreiben, was sie denken. Nicht zu vergessen auch mein Vater Wolfgang, der ja auch mehrere Programme der Keule geschrieben hat und selbst noch auftritt.
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